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Das fremde Kind

Stellt euch vor, euer Kind verschwindet. Ihr ruft die Polizei, die eine großangelegte Suche startet. Ihr macht euch Sorgen, habt Angst, dass ihm etwas passieren könnte. Ein Monat vergeht, noch einer und nach einem halben Jahr mag eure Hoffnung, dass ihr euren Jungen unverletzt wiederbekommt kleiner werden. Aber dann taucht er wieder auf und ihr könnt glücklicher nicht sein, weil ihr endlich euer Kind in die Arme schließen könnt. Nur, dass dieses Kind gar nicht eures ist … 

 

DAS VERSCHWINDEN

 

Im August 1912 vergnügt sich die Familie Dunbar (Mutter, Vater und zwei Kinder) am See. Bobby war vier Jahre alt und hatte noch einen zwei jährigen Bruder. Es ist schönes Wetter, die Familie plantscht im Wasser, sonnt sich oder angelt. Plötzlich ist Bobby weg, spurlos verschwunden, die Familie ratlos. Sie beginnt nach ihm zu suchen und schaltet schließlich die Polizei ein. Zuerst geht man davon aus, dass er am See verunglückt sei. In der Gegend sind ein paar Aligatoren, die getötet werden, um in ihrem Magen nach Bobby zu suchen. Auch im Wasser sucht man nach ihm. Als man keine Leiche findet, vermutet man eine Entführung.

 

DER VERMEINTLICHE BOBBY

 

Acht Monate später griffen Polizisten einen Jungen auf, in dem sie Bobby erkannten. Er war etwa fünf Jahre alt und reiste mit einem Mann namens William Walters. Der war Handwerker und behauptet, der Junge heiße Charles Anderson und seine Mutter habe ihm den Jungen überlassen, weil sie sich nicht im Stande sah, sich um ihn zu kümmern. Die Polizei nahm Walters fest, um seine Angaben zu prüfen.

Julia Anderson, die vermeintliche Mutter von Charles, reiste an. Sie bestätigte Walters Aussage, konnte ihren Sohn aber nicht zweifelsfrei identifizieren. Dazu sei gesagt, dass sie ihn vor achtzehn Monaten das letzte Mal gesehen hatte. Auch Bobbys Mutter soll in dem wiederaufgetauchten Jungen nicht sofort ihren Sohn erkannt haben. Zum Schluss gaben aber beide Frauen an, dass es sich bei dem Jungen um ihr Kind handle.

DNA-Tests gab es zu dieser Zeit noch nicht und so musste die Glaubwürdigkeit der Frauen allein abgewogen werden. Man glaubte Julia Anderson nicht. Sie hatte drei Kinder zur Welt gebracht, von denen zwei gestorben waren. Die Familie Dunham wirkte dahingegen bodenständig und vernünftig. Also wurde ihnen das Kind überreicht und sie kehrten mit dem vermeintlichen Bobby nach Hause zurück.

Walters wurde der Kindesentführung schuldig gesprochen, obwohl mehrere Zeugen aussagten, sie haben den Jungen noch vor Bobbys Verschwinden mit Walters gesehen. Nach zwei Jahren wurde er entlassen, nachdem er Berufung eingelegt hatte. Da war der Fall aber bereits aus der Öffentlichkeit verschwunden und der Wille, ihn erneut aufzurollen, nicht mehr da.

 

FÜNFZIG JAHRE SPÄTER

 

Der vermeintliche Bobby wuchs bei den Dunbars auf, bekam selbst Kinder und starb schließlich 1966. Seine Enkelin nahm sich der Geschichte an und wollte beweisen, dass ihr Großvater Bobby Dunbar und nicht Charles Anderson war. Man machte einen DNA-Test von ihrem Vater (dem Sohn des vermeintlichen Bobbys) und dem Sohn von Bobbys Bruder. Dabei stellte sich heraus, dass die vermeintlichen Cousins nicht verwandt waren.

Charles Anderson war in die Familie Dunbar gebracht worden. Ein völlig fremder Junge, der Bobby ähnlich sah. Was mit dem richtigen Bobby geschehen war, weiß bis heute niemand. Vielleicht hat ihn doch ein Alligator gefressen oder jemand anderes (nicht Walters) hatte ihn entführt. 

 

VÖLLIGES UNVERSTÄNDNIS

 

Ich kann absolut nicht verstehen, wie das passieren konnte. Wenn man sich Bilder von Bobby und Charles ansieht, gibt es nicht mal eine große Ähnlichkeit. Am ehesten kann ich noch verstehen, weshalb Bobbys Mutter behauptet, Charles sei ihr Sohn. Sie muss unter großem psychischem Druck gestanden und schreckliche Angst um ihr Kind gehabt haben. Wahrscheinlich hat sie sich so sehr gewünscht, es sei Bobby, dass sie in ihm ihren Sohn gesehen hat.

Aber wie kann es sein, dass ein fünfjähriges Kind einfach so einer anderen Familie übergeben wird, ohne, dass es den Irrtum aufklärt? Er ist ja kein Baby gewesen, er konnte reden. Ein fünfjähriges Kind weiß doch wohl wer sein Vater ist und dass er die Frau, die seine Mutter sein soll, nie gesehen hat. Damals hat es sicherlich noch nicht die psychische Betreuung gegeben, die es heute in dem Fall für den Jungen geben würde und trotzdem kann ich es einfach nicht begreifen. Er muss doch direkt nach Bobbys Eltern, seiner Mutter und Walters befragt worden sein. Warum hat er nicht gesagt, dass die Dunhams nicht seine Familie ist?

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