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Der Tag, an dem ich dachte, mit meiner Schreiberei sei es vorbei

Es fing damit an, dass ich "Das Grauen in Murdsheim" veröffentlicht hatte, aber mit dem Manuskript, an dem ich zu dem Zeitpunkt arbeitete, nicht zufrieden war. Die Spannung fehlte, es gab zu viele Figuren, die Atmosphäre, die ich mir für die Geschichte wünschte, war nicht vorhanden und der Bösewicht war nicht böse genug.

 

 

 

Unzufriedenheit mit dem eigenen Text kommt natürlich schonmal vor, und ich versuchte das Problem zu lösen, indem ich das Manuskript überarbeitete als würde es kein Morgen geben. Dabei veränderte und löschte ich Figuren, überarbeitete das Ende, den Mittelteil, den Anfang und irgendwie alles - trotzdem war ich einfach nicht glücklich mit dem, was ich da fabrizierte.

 


Ich wusste nicht, wie ich es guten Gewissens rausbringen sollte. Wie sollte ich ein Buch, von dem ich nicht überzeugt war, bewerben? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen dieses Buch feiern würden und hörte schon die negativen Stimmen der Leser. Rezensionen, mit denen ich umgehen kann, wenn ich selbst das Buch liebe, aber wie sollte ich damit umgehen, wenn ich es auch nicht gut fand? Also tat ich das einzig Sinnvolle: Ich legte es in die digitale Schublade und beschloss, es dort verrotten zu lassen. Da das Manuskript aber der Auftakt einer Reihe sein sollte und ich die nächsten Teile schon geplant hatte, stand ich von jetzt auf gleich ohne Manuskript und - noch schlimmer - ohne Idee da. 

 

Das fand ich wirklich beängstigend.

Ihr müsst euch vorstellen, dass ich immer während ich an einem Manuskript schreibe, schon eine Idee für das Nächste habe. Mindestens eine, wenn nicht sogar zwei. Aber nun war es eben nicht so und ich wusste nichts mit mir anzufangen.
Mir gingen die schlimmsten Szenarien durch den Kopf. Mir würde nie wieder eine Idee kommen. Jetzt sei es vorbei mit meiner Schreiberei. Schreibblockaden gebe es wirklich. In zwei Jahren würden Freunde und Familie sagen: "Hanna? Ja, die hat früher geschrieben, jetzt leider nicht mehr.. Ja, ja, das ist wirklich traurig. Ich weiß auch nicht, was da los ist."

 

 

 

Das hört sich nun wahrscheinlich so an, als hätte ich tagelang in der Schwebe gestanden und mir diese Sorgen gemacht. Tatsächlich waren es nur wenige Stunden.

 

Irgendwann stand ich nämlich am Küchenfenster und machte mir einen Kaffee. Ich sah einer Amsel dabei zu, wie sie den Garten umgrub, wartete bis der Kaffee durchlief und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Ich wollte durchatmen, entspannen, denn es konnte doch durchaus eine lehrreiche Erfahrung sein, mal keine Idee zu haben, nicht über ein Manuskript zu brüten. Wie oft habe ich mir schon eine Pause gewünscht, aber kam nie zu einer, weil ich Tag um Tag, Woche um Woche, begierig schrieb. Ich redete mir ein, dass das jetzt genau richtig komme. Geglaubt habe ich mir jedoch nicht, denn genau das war doch, was ich wollte: Gefesselt von meinen Geschichten sein und übersprudeln vor Kreativität.

 

Ich stand am Küchenfenster und zerbrach mir den Kopf, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Verschiedene Ideen ploppten auf, doch ich verwarf sie schnell wieder. Nichts konnte mich fesseln, nichts gab mir ein gutes Gefühl. Keine der Figuren, die sich mir vorstellten, um Protagonist meiner nächsten Geschichte zu werden, wollte ich näher kennen lernen. Keine Ausgangssituation war interessant genug.

 

Und genau da kam sie. Meine Idee. Sie kam so plötzlich, dass ich nicht an mir halten konnte.
"Ich habe eine Idee!", rief ich meinem Freund zu, der gerade im Wohnzimmer auf der Couch saß und kurz zuvor Zeuge meiner Verzweiflung geworden war.
Lachend hüpfte ich in der Küche auf und ab, vollführte einen Freudentanz und konnte nicht aufhören immer wieder zu rufen: "Ich habe eine Idee! Ich habe eine Idee! Oh, Gott sei dank! Ich habe eine Idee."
Mein Freund freute sich mit mir und war sichtlich erleichtert, dass seine trübsalblasende Autorin zur alten Freude gefunden hatte. Ich schnappte mir den Kaffee und legte los. 


Mittlerweile habe ich die Rohfassung dieser Idee beendet und bin sehr zufrieden. Als Autorin wird mir immer wieder die Frage gestellt, woher ich meine Ideen nehme und ob ich nicht Angst hätte, dass sie mir irgendwann ausgehen. Das ist mir nun einmal passiert. Drei oder vier Stunden lang hatte ich keine Ideen - oder sagen, wir keine guten Ideen. Aber davor und danach ist es mir nicht wieder passiert. Situationen wie diese geben mir Selbstvertrauen. Ich weiß, dass ich immer weiter machen kann und dass das Schlimmste, was mir passieren kann - keine Ideen mehr zu haben - vorüber gehen wird. 

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