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Vom nicht alles auf einmal wollen

Wenn ich unbegrenzt Zeit hätte, würde ich einen Garten mit insektenfreundlichen Blumen und einem nahrhaftem Gemüsebeet anlegen, jeden Monat ein Buch schreiben, jede Woche ein Brot und einen Kuchen backen, meine Großeltern so oft sehen, dass sie mich bäten, ihnen Freiraum zu geben, einen Hund adoptieren, mit dem ich stundenlange spazieren ginge und Hundesport betreibe, Waschmittel aus Kastanien herstellen und sowieso vollkommen nachhaltig leben.

 

2019 ist das Jahr gewesen, in dem ich ganz viel auf einmal wollte und völlig überfordert war. Ich habe mich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, bin an meinem Garten verzweifelt und habe so viel an meinen Büchern gearbeitet, wie noch nie. Aber es hat mir nicht gutgetan. Ich hatte kein Burnout, ich war bloß unzufrieden, weil ich nichts, was ich tat, zu meiner Zufriedenheit geschafft habe und noch so viel mehr angehen wollte.

 

2020 sollte dann alles anders werden. Ich wollte mich auf wenige Dinge konzentrieren und niemals die Balance zwischen den verschiedenen Bereichen in meinem Leben verlieren. Ich wollte mich wieder mehr auf meine Freunde konzentrieren, mich weniger vergleichen und weniger MÜSSEN. Gut, wir wissen alle, was 2020 mit sich brachte. Für viele war es schlimm, für mich kam die Zeit genau richtig. Ich KONNTE einfach all das, was ich 2019 tun wollte gar nicht machen, musste mich erstmal neu sortieren und dann in kleinen Schritten vorwärts kommen. Das hat mir so so gutgetan.

 

Ich habe Yoga und das Malen mit Aquarellfarbe ausprobiert, das eine genieße ich bis heute unregelmäßig, das andere habe ich schon seit Monaten nicht mehr gemacht. Und das ist auch okay so. Ich muss nicht alles, was ich anfange in Perfektion schaffen und durchziehen, bis ich irgendein Ziel erreicht habe, das es – wenn wir mal ehrlich sind - gar nicht gibt.

 

Als Kind wurde mir oft gesagt, dass ich faul bin, und wenn ich nicht so faul wäre, würde ich in der Schule bessere Noten schreiben. Ich würde mir selbst im Weg stehen. Das stimmte, aber so habe ich auch gelernt, dass ich mir bei allem Mühe geben muss und wenn etwas nicht hinhaut, bin ich schuld und muss an mir arbeiten, damit ich Erfolg habe.

 

Aber jetzt steht keine Lehrerin hinter mir und beurteilt mich, das bin ich ganz allein. Ich stelle die Regeln auf, und wenn ich sage: Das muss ich jetzt gar nicht weiter durchziehen, es ist okay, wenn ich nur zweimal in der Woche Yoga mache oder es ist nicht schlimm, wenn die Pflanze nicht blüht, obwohl ich mich doch so gut um sie kümmere. Es ist okay, faul auf der Couch zu liegen, zwei Bücher anzufangen, sie beide nicht zu Ende zu lesen und sich an ein drittes Buch zu wagen.

 

Ich habe nicht unbegrenzt Zeit, und schon gar nicht unbegrenzt Geld. Aber was ich auf keinen Fall begrenzen möchte, ist der Spaß an der Sache. Ich möchte Freude an dem haben, was ich tue, ohne schlechtes Gewissen, ohne „ich MUSS“, mehr mit „wenn ich will, probiere ich es aus“. Man muss nicht alles bedingungslos und in großartiger Qualität durchziehen, was man anfängt. Schon gar nicht, wenn man es in seiner Freizeit tut. Es sollte dir Freude bringen, mehr nicht. Und wenn es dir keine Freude bereitet oder du gerade an etwas anderem mehr Interesse hast, dann ist das okay. Du kannst zu einem anderen Zeitpunkt zu den Pinseln, den gesammelten Kastanien oder dem Brot-Rezept zurückkehren (2019 habe ich tatsächlich jeden Sonntag ein Brot für die nächste Woche gebacken).

 

Ich habe die Dinge gefunden, denen ich mich in meiner Freizeit widmen möchte. Manchmal mehr, manchmal weniger, aber wenn, dann mit Freude. Ohne Druck. Und denen werde ich mich auch in Zukunft widmen. Zumindest dann, wenn ich Lust drauf habe.

 

Beenden möchte ich meinen Beitrag mit einem Zitat aus Meike Winnemuths Buch „Bin im Garten“. Sie stellt uns den englischen Gartengott Monty Don vor.

„Er erzählt viel von eigenen Versäumnissen und Fehlleistungen. Eigentlich habe er ja schon längst fertig sein wollen mit diesem Beet oder jenem Projekt, aber irgendwie sei ihm was dazwischengekommen, naja, wie das Leben so ist. Aber irgendwann in den nächsten Wochen ganz bestimmt.“

Ist das nicht lässig? Genau davon brauchen wir wahrscheinlich alle ein bisschen mehr. Das Leben kommt manchmal dazwischen, aber das ist nicht schlimm, denn vielleicht klappt es ja in den nächsten Wochen.

 

Alles Liebe,

 

Hanna

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